Moto Domani-Prototyp

MO-Redakteur di Pippa mit Moto Domani-Boss Marpione

Top-Lokaltermin im April: exklusiv bei Moto Domani

Bis jetzt gibt es nur eine einzige fahrtüchtige Vorserienmaschine. Doch bald soll die neue Motorradmarke voll durchstarten. Am 1. April ist uns ein exklusiver Termin bei Moto Domani angeboten worden.
 
Kaum ein Motorradhersteller würde es wagen: Mit der Serienproduktion eines neuen Modells zu beginnen, solange wir noch kein „grünes Licht“ gegeben haben. Es wäre schließlich leichtsinnig, geradezu fahrlässig, auf unseren reichhaltigen Erfahrungs­schatz, auf unsere Testkompetenz zu verzichten und somit einen Flop zu riskieren. Einige wenige Beispiele hat es in der Vergangenheit gegeben, und die schrecken die Top-Manager bis heute ab. Keiner möchte solche Fehlentscheidungen zu verantworten haben, niemand kann sich das leisten. Nicht die großen, etablierten An­bieter aus Japan, Europa oder aus den USA, aber erst recht nicht kleine, neu gegründete Unternehmen, die zunächst versuchen müssen, in unserer Branche eine Nische für sich aufzutun. Wie aktuell die junge italienische Marke Moto Domani. Da muss quasi der erste Schuss sitzen, sonst wird das Firmenkapital einfach nur verbrannt statt gewaschen. Deshalb hat Moto Domani-Gründer Giovanni Marpione uns weltexklusiv zum Ortstermin nach Valle Fallita gebeten. Wie die ersten Menschen dürfen wir den Prototyp der Moto Domani Fiasco 1200 ABS begutachten.

Es ist neun Uhr morgens und selbst hier im Süden noch ziemlich frisch. Man kann mich schwer atmen sehen. Zuviel Hotel-Rührei mit Speck liegt mir im Magen, der Ranzen spannt. Doch eigentlich geht es hier ja nicht um mich. Es geht um die Zukunft der Marke Moto Domani. Ob sie überhaupt eine Zukunft hat. Wohl oder übel wird das nun von meinem ersten Experten-Eindruck abhängen. Mattschwarz und noch mit diversen Sensoren verkabelt steht die aller­erste fahrbereite Fiasco 1200 ABS vor dem garagentorgroßen Werkstor. In diesem handgefertigten Exemplar aus der angeblich fast 80 Quadratmeter großen Entwicklungsabteilung – Fotografieren streng verboten – stecken alle Hoffnungen der bislang nur unscharf umrissenen Belegschaft sowie das irgendwie irgendwo abgezweigte Kapital von Giovanni Marpione. Durchaus verständlich erscheint es da, dass er das kostbare Einzelstück nicht aus den Händen geben will. Obwohl er es einem durch und durch seriösen Profi wie mir getrost anvertrauen könnte und ich ihm das wiederholt gesagt habe. Zuerst vielleicht etwas zu streng, auf Deutsch. Dann auch noch mit meinem relativ überlegenen Englisch. Er hat immer nur mit „no, no, scusi“ reagiert und dazu übertrieben temperamentvoll mit den Armen gerudert. Vermutlich tut er nur so, als ob er mich nicht richtig versteht. Dieses Schlitzohr. Man könnte sogar meinen, dass er mich ein bisschen verarschen will. Doch das würde sich in dieser Situation ganz sicher keiner trauen.

Jedenfalls, um nachher nicht noch mit dem ganzen ortsansässigen Familienclan herumhändeln zu müssen habe ich mich in einem Anfall feiner Diplomatie darauf eingelassen, mir die Sache zunächst einmal von hinten anzuschauen. Also wird Marpione mit der Fiasco 1200 ABS vorausfahren und ich mit einer von der örtlichen Fahrschule geliehenen Maschine hinterher. Leider hat der Fahrlehrer – ein Cousin Giovannis – heute nur ein einziges halbwegs verkehrssicheres Motorrad übrig: eine schon ziemlich durchgenudelte Yamaha MT-07. Abgefahrene Erstbereifung, verbogene Hebel und unzählige Kratzer bremsen meine Vorfreude – und das auch noch ohne ABS. Um mich mache ich mir dabei keine Sorgen, denn ich kann ja bremsen. Aber um die Fahrschüler! Sicherheit ist doch das Wichtigste! Als ich bereits er­wäge, diese Typen wortlos stehen zu lassen, legt der Cousin hämisch grinsend nach: Für Stufenführerschein-­Anwärter sei die Yamaha auf 48 PS gedrosselt. Dreimal atme ich ganz tief durch, damit mir mein Blutdruck nicht davongaloppiert. Und dann nehme ich diese Frechheiten einfach als sportliche Herausforderung an, setze mein Poker­face auf, lasse mir nichts anmerken. Mein Ehrgeiz ist geweckt. Die werden mich richtig kennenlernen!

Als Giovanni – wir sind jetzt per Du oder so – auf den Startknopf der Fiasco 1200 ABS drückt, kommt das Vorserien-Triebwerk holpernd in Gang. Noch kalt, spotzt der komplett neu entwickelte V-Twin zunächst etwas unwillig vor sich hin. Doch nach einigen entschlossenen Gasstößen wird der Herzschlag der Moto Domani gleichmäßiger. Allerdings ist das Bollern viel zu wenig gedämpft. Derlei Krawall habe ich in Berlin und Brüssel längst ächten lassen, da gibt es für die italienischen Ingenieure also wohl noch einiges zu zu stopfen. Laut muss doch out sein. Außerdem läuft die Benzineinspritzung noch viel zu fett, mein feines Hakennäschen detektiert reichlich unverbrannte Kohlenwasserstoffe.

Nun ja, wir wollen trotzdem mal schauen, wie die Fiasco 1200 ABS fährt. Noch auf der über drei Meter langen Einfahrt des Werksgeländes gibt Giovanni seinem ersten Pferd im Stall heftig die Sporen. In Zugzwang gebracht, lasse ich den Kupplungshebel der 700er Yamaha schnalzen und folge ihm spektakulär driftend durch den aufgewirbelten Staub. Gleich hinter dem Ortsende biegt der Mistkerl zackig auf eine seiner Hausstrecken ab. Als dreimaliger Toskanischer Meister in der 600er-Supersport-Klasse lässt er es immer noch ordentlich fliegen, und mit den angesagten „zirka 150 PS“ hat er dreimal soviel Leistung zur Verfügung wie ich. Doch wenn er glaubt, er könne mich so einfach abschütteln, dann hat er sich gewaltig ge­täuscht. Mit dem ausgeleierten Gaszug voll am Drossel­anschlag jage ich ihm im dritten Gang hinterher. Jetzt geht es auch noch leicht bergauf, und zwischen den vielen Kurven im hinterländlichen Winkelwerk gilt es, auf den Geraden tief gebückt im Windschatten dran zu bleiben. Richtig ernst wird es auf der schattigen Nordseite der Hügel. Von den Regenschauern in der vergangenen Nacht ist es in den Ecken noch feucht. Mit meinen Verschleiß-Slicks komme ich da natürlich ins Schlingern, während Giovanni mit aktuellen Tourensportgummis nahezu uneingeschränkte Traktionsvorteile hat. Bergab, vor den Kurven, kann er es zudem riskieren, viel später zu bremsen, denn er hat ja modernste Fahrwerkskomponenten – und ABS. Meiner jahrzehntelangen Übung am Limit und meinem ausgeprägten Fingerspitzengefühl habe ich es zu verdanken, dass ich trotz äußerst wid­riger Bedingungen bei diesem wahnsinnigen Tempo nicht stürze. Andere wären längst in den Straßengraben ausgeschieden. Auch Giovanni gibt das zu denken. Es entgeht mir nicht, wie er bei über 150 km/h immer wieder kurz in den Rückspiegel schaut und dann ungläubig den Kopf schüttelt. Er kann es wohl nicht fassen, dass ich ein so zäher, mit allen Wassern gewaschener Sauhund bin.

Moto Domani Fiasco 1200 ABS mit Marpione von hintenNach einer knappen halben Stunde und fast 100 Kilometern über enge, teils holprige Sträßchen biegen wir wieder bei Moto Domani ein – und zwar Seite an Seite. Der Fahrschulmaschine hat unsere sehr flotte Spritztour offensichtlich den Rest gegeben, sie muss dringend in die Box. Lockerer scheint die Fiasco 1200 ABS den harten Ritt weggesteckt zu haben. Ihr Antrieb kühlt tickernd und knisternd ab, von den Reifenflanken hängen kleine Gummiwürstchen herab. Ja, Giovanni pflegt einen mutigen, einen abgebrühten Fahrstil wie ich. Er und seine Neuentwicklung haben sich tapfer geschlagen, das könnte wirklich etwas werden. Noch bevor demnächst die Serienproduktion anläuft, werden wir vorab – weltexklusiv – eine Testmaschine bekommen. Mit der werden wir dann über die deutsche Autobahn knallen, selbstverständlich auch über unsere berüchtigte A81. Dazu werden wir das Lenkkopflager mit ein paar Wheelies auflockern, dann ein bisschen Luft aus den Reifen lassen und ein mit grobem Kies befülltes Topcase montieren. Wenn das Fahrwerk der Moto Domani diesen Top-Test übersteht, ohne Zicken zu machen, dann werden wir „grünes Licht“ geben. Aber nur dann, lieber Giovanni.    Capo di Pippa 

Fotos: G. Heym, A. Genth