2012-11 Leitartikel

Jo Soppa - Chefredakteur MO

Jo Soppa

Stimmungslage

Motorradmachen ist ganz einfach. Apple zeigt allen, wie´s geht

Auch nach der Intermot in Köln bestimmt weiterhin säuerlicher Zynismus bis verhaltener Optimismus die Branche. Oder wie es ein Nachrichtendienst in einer Meldung zur großen Leitmesse formulierte: Immer mehr alte Männer kaufen immer weniger teure Motorräder.
Attraktives Glanzlicht in Köln war zweifellos die Präsentation der neuen BMW R 1200 GS-Generation mit ihrem jetzt wassergekühlten Boxer. Dieses fast schon solitäre Ereignis verstärkt den Eindruck der fortwährenden Lethargie japanischer Motorrad-Hersteller. Auffallend still blieb es bei Suzuki und Yamaha. Neue Farben, kleinere technische Updates, ein möglicher Dreizylindermotor bei Yamaha, das war’s auch schon. Eher pflichtschuldig auch der Auftritt des einstigen Branchen-Primus Honda. Eine ärmlich aussehende 125er für den Weltmarkt, ein leckerer Crosser für ein paar Spezialisten und eine nach Budget-Muster gestrickte 600er für alle Fälle. Zum Glück gab’s da noch die CB 1100, ein hübscher Neoklassiker, den man aber nicht als Neuheit feiern kann, weil es das Motorrad bereits seit zwei Jahren in Japan gibt. Aber die Erfahrung lehrt, dass speziell Honda stets für die folgende Messe in Mailand noch scharfe Pfeile im Köcher aufbewahrt.
Die Grünen von Kawasaki bleiben ihrer eingeschlagenen Hauslinie treu. Das heißt, die neue Z 800 macht auf dickere Backen und eine „kleine” Ninja rundet das Supersport-Programm mit jetzt 636 ccm Hubraum in Richtung weltlicher Leistungsdaten freundlich ab. Und wenn wir schon bei den Farben sind: Knallorange aus Österreich macht jetzt auf Ducati und baut den Superbike-Motor in ein Enduro-Konzept. Pralle Leistung fürs gehobene Touring, das alte Spielchen auf dem Größer-schneller-weiter-Karussell.
Weiterhin streiten sich die Motorrad-Gelehrten über die Frage, wie man denn bitteschön mehr junges Publikum fürs Zweiradeln begeistern kann. Bekanntlich ist die Jugend nach neuesten Erhebungen generell motorisierungsmüde. Denn auch die Autobranche klagt über mangelndes Interesse von Seiten der Pickelgesichter. Denen genügt es inzwischen vollkommen, online statt mobil zu sein. Im Notfall fährt immer noch Taxi Mama.
Dabei liegt die Lösung aller Probleme anschaulich in den Händen unserer zukünftigen Renteneinzahler. Denn bekanntlich ist die ebenso „coolste” wie am höchsten dotierte Marke des Planeten der amerikanische Apple-Konzern. Und deren Erfolgsgeheimnis ist fast schon erschreckend schlicht: Baue Geräte, die sich intuitiv bedienen lassen und stecke sie in wertig-eigenständige Verpackungen, die man gerne anfassen möchte. Ziehe das Ganze konsequent innerhalb aller Produktfamilien durch, die jeden Geldbeutel ansprechen.
Im konkreten Fall ist es kein Geheimnis, dass sich Apple-Designer Jonathan Ive zwanglos bei einer Firma bedient, die bereits vor über 50 Jahren im Bereich der Elektrogeräte in Sachen Gestaltung endgültige Maßstäbe gesetzt hat. Die Rede ist von Braun und hier wiederum von deren Design-Direktor Dieter Rams.
Um vergleichbare endgültige Maßstäbe geht es auch im Motorradgeschäft. Kneift man mal seine Hirnwindungen zusammen und überlegt, welche Motorräder so etwas wie die stilbildenden, bleibenden Archetypen der Geschichte sind, dann wird das Schatzkästchen recht klein und übersichtlich. BMW RS 54: Erklärt den fortwährenden Erfolg der bayerischen Boxer, speziell der einzigartigen GS. Harley-Davidson Flat Tracker: Erklärt den immer jungen Coolnessfaktor der amerikanischen Kultmarke. Ducati Königswellen-Twin: Erklärt – zum Teil – den Zauber der Marke aus Bologna. Honda CB 750 K0: Erklärt, dass die Japaner viel falsch machen. Oder warum muss ein an sich genial konstruiertes Motorrad wie die NC 700 aussehen wie ein Prada-Damenhandtäschchen?
An dieser Stelle möchte ich mein persönliches Frustprogramm beenden und lade Sie nun alle herzlich zum Schreiben zorniger Leserbriefe und zum lustvollen Schmökern der neuesten MO-Ausgabe ein. Die endgültigen Maßstäbe gelten schließlich auch für das Machen einer Motorrad-Zeitschrift. Alle Erfinder der Weltformel wenden sich bitte direkt an mich.

Mit gestalterischem Gruß

Jo Soppa (Chefredakteur)
 

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