2013-05 Leitartikel

Jo Soppa - Chefredakteur MO

Jo Soppa

Unter Strom
Die eigene Tankstelle auf dem Dach. Ein verlockender Gedanke

Zum ersten Mal stellen wir in einer MO-Ausgabe im großen Stil ein Motorrad mit Elektroantrieb vor. Motorrad meint in diesem Fall: ein richtiges Motorrad. Denn wir sprechen von einer maximalen Antriebsleistung von guten 50 PS, wobei die guten, alten Pferdestärken im Angesicht der modernen Akkupower wirklich deplaziert erscheinen. Nie waren Kilowatt so wertvoll wie heute.
Es überrascht nicht, dass dieses neue und vor allem käufliche Elektro-Kraftrad von einem Hersteller kommt, der bislang nichts mit der Motorradszene zu tun hatte. Zero nennt sich die amerikanische Marke und Andreas Güldenfuß konnte die Neuheit ausgiebig testen. Seine Eindrücke lesen Sie ab Seite 38.
Nun propagieren Zeitgenossen, die fortwährend die Erde vor der Menschheit retten möchten, den möglichst flächendeckenden und vor allem zwingend vorgeschriebenen Gebrauch emissionsfreier Fahrzeuge. Motorräder wie die neue Zero sind der Beweis, was geht, aber auch Fingerzeig, was nicht geht. Konzeptionsbedingt sind „primitive” Fahrzeuge, wie es Motorräder von Haus aus sind, für elektromotorischen Antrieb sehr viel besser geeignet als die heutzutage zu wahren Komfort-Trutzburgen hochgerüsteten Autos. Nicht von ungefähr spricht niemand von Elektro-Lastwagenverkehr. Angesichts der bestehenden Akkutechnologie ist das weit in die Zukunft gerichtetes Wunschdenken. Millionenfache Realität sind dagegen schon lange Elektro-Fahrräder, die so genannten Pedelecs.
Alle Umweltretter und Freunde der Erde sind also hiermit herzlich eingeladen, vom Auto aufs elektrifizierte Zweirad umzusteigen.
Tatsächlich ist es ein verlockender Gedanke, mit den eigenen Sonnenkollektoren auch noch eine private Tankstelle fürs Fahrvergnügen zu haben. Und auch wenn für manche Kollegen in der Redaktion ein leise vor sich hinsurrendes Elektrokrad dem Untergang des Abendlands gleichkommt, könnte ich mich mit dieser dezenten Art der Fortbewegung leicht anfreunden. Denn klangvolle Motorräder, deren Arbeitsgeräusch auch einen akustischen Genuss darstellt, sind ohnehin die Ausnahme von der Regel. Eine im Standlauf vor sich hin tuckernde Guzzi Falcone vielleicht, ein schnuffelnder Harley-Twin, eine zum goldfarbenen Trompetenstrahl ausgedrehte Boxer-BMW mit halboffenen Tüten vielleicht. Aber sonst? Das kranke Scheppern einer Ducati-Trockenkupplung vielleicht? Oder gar das nervtötende Kreischen einer in den Begrenzer hochgedrehten Vierzylinder-Sirene? Nein danke, für mich wäre das nicht unbedingt ein Verlust in der Hörlandschaft.

Klangvolle und
erlebnisreiche Motorradtage wünscht

Jo Soppa (Chefredakteur)
 

zurück zur MO 05/2013