2014-01 Leitartikel

Jo Soppa - Chefredakteur MO

Leitartikel

Jo Soppa

Klimarocker

Rocker, Raser, Schläger. Das alte Rollenklischee wird gelegentlich noch in betagten Fernsehfilmen bedient. Dann freut man sich als Zuschauer an schmalen Milchbubis in Schlaghosen und zu eng geschnittenen Lederjacken. Süße Nostalgie. Heutzutage hat sich nicht nur bekleidungstechnisch viel getan. Rocker fahren kaum noch Motorrad. Lieber zeigen sie sich wie Geschäftsleute mit Promi-Anwalt und lassen sich fürs Fernsehen beim breitkreuzigen Einsteigen in tiefer gelegte S-Klassen filmen.
Motorradfahrer lösen mittlerweile ganz andere Feindbilder aus. Bemerkenswert dabei: Viele von unserer Sorte haben dieses Feindbild bereits schuldbewusst verinnerlicht. Das neue Feindbild heißt „Klimarocker“. Mit jeder hedonistisch gedrehten Spaßrunde wird wieder ein Sack voll Kohlendioxid in die kränkelnde Atmosphäre geblasen. Die weitgehend einige Klimawissenschaft sagt, langwelliges Sonnenlicht werde durch die CO2-Moleküle wieder auf die Erde zurück reflektiert, wodurch die globale Temperatur peu à peu nach oben klettere. Die Polkappen schmelzen, in der Folge drohen unabsehbare Umweltkatastrophen. An der Flut auf den Philippinen sind gewissermaßen auch Sie und ich schuld.
So ganz pressant scheint die Sache jedoch nicht zu sein. Das wesentliche Ergebnis des Warschauer Klimagipfels vom November 2013 war die Festlegung des nächsten Termins. Der soll 2015 in Paris stattfinden, wieder mit rund 10000 Teilnehmern. Klimagipfel-Tourismus für alle Beteiligten auf Kosten der Steuerzahler. Trotz dieser Ungereimtheiten zwischen Bedrohungsszenario und effektivem Handeln ist der vom Menschen gemachte Klimawandel speziell hierzulande gesellschaftlicher Konsens. Auch wenn die Industrienation Deutschland nicht einmal drei Prozent zum weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß beiträgt.
Mit der ganzen Kohlendioxid-Nummer werde hauptsächlich Politik gegen die Bürger gemacht, sagen deshalb die Kritiker. Neue Verordnungen, neue Abgaben, Einflussnahme auf sich wirtschaftlich rasant entwickelnde Länder wie Indien und China. Die mit Drohpotenzial geschwungene Kohlendioxid-Nummer zieht Jünger an wie weiland das Heilsversprechen der Kirche auf Leben nach dem Tod. Nicht von ungefähr ist ausgerechnet Amerika treibende Kraft im ganzen Spiel. Als braver Bürger steht man ratlos im Treibhaus. Befürworter und Kritiker der Kohlendioxid-These werfen sich gegenseitig Lobbyismus vor. Dort die bösen Hintertreiber aus der Öl verarbeitenden Industrie, hier die verordnungsgebärende Allianz aus Öko-Politikern und Unternehmern für Umwelttechnik.
Weil Pfeifen im Walde gemeinhin Angstzustände mildern hilft und Provokationen meine Spezialität sind, lassen wir einmal die Klima-Kritiker mit ihren zehn gängigsten Argumenten zu Wort kommen.
1) Es gibt kein globales Klima, sondern nur lokales. Wie also wollen Experten, die nicht einmal verlässlich das lokale Wetter für eine Woche vorhersagen können, ausgerechnet das ganze Erdklima auf Jahre hin vorausberechnen können?
2.) Ja, es gibt den Klimawandel. Aber den gibt es schon immer. Um das Jahr 1100 wurde in Norwegen Wein angebaut, während des Dreißigjährigen Krieges dauerten die Winter in Deutschland oft bis Juni.
3.) Kohlendioxid ist schwerer als Luft und nur in einem verschwindenden Promille-Maß in der Atmosphäre anzutreffen. Der CO2-Gehalt hat sich seit vorchristlicher Zeit nicht einmal um 50 Prozent erhöht. Angeblich bewirkt erst eine Verdoppelung des Anteils einen Temperaturanstieg um ein Grad Celsius.
4.) Aufnahmen von Satelliten aus haben gezeigt, dass die Atmosphäre für das gesamte Strahlungsspektrum vollkommen durchlässig ist. Die Kohlendioxid-Reflexionstheorie ist also Humbug.
5.) Unwetter waren früher noch viel heftiger als heute. Das beweisen die alten Hochwassermarken. Das eigentliche Problem ist die wachsende Bevölkerungszahl samt Besiedelung problematischer Regionen, die früher unbewohnt waren.
6.) Jedes Kind weiß: Die Sonne erwärmt die Erde. Scheint die Sonne nicht mehr, wird es auch im Treibhaus schnell kalt. Ohne Treibhauseffekt und Kohlendioxid gäbe es überhaupt kein menschliches Leben auf der Erde.
7.) Seit 15 Jahren bleibt die globale Durchschnittstemperatur tendenziell konstant. Die Berechnungsmodelle der Klimaforscher sind falsch.
8.) Vor 30 Jahren haben die Experten das baldige Waldsterben vorausgesagt. Ein Klimaforscher, der keine Katastrophe prophezeit, ist überflüssig.
9.) Die globale Erwärmung wird in erster Linie durch die Sonneneinstrahlung bestimmt. Deren Intensität ist aufgrund vieler Faktoren schwankend.
10.) Regulierung des Kohlendioxidausstoßes ist blanke Vermessenheit. Der Mensch glaubt, das Wetter machen zu können.
Wahrscheinlich geht es Ihnen jetzt wie mir: Man weiß nicht mehr, was und wem man glauben soll. Immerhin: Wenn die Klimakatastrophe über uns alle hereinbricht, kann die globale Klimalage rasch beeinflusst werden: In die Atmosphäre gefeuerte Partikelschleier mindern die Sonneneinstrahlung partiell und damit die Großwetterlage. Dann kann’s aber schnell zu kalt werden. Eine Konstante bleibt also: Das Leben ist weiterhin gefährlich.

Freuen Sie sich also zwanglos an und mit Ihrem Motorrad. Und während ich gerade den ersten Schneeflocken durchs Fenster beim Kampf mit der Schwerkraft zusehe, rufe ich Ihnen mit einem Schulterzucken zu: Das Wetter kommt, wie’s kommt. Meistens jedenfalls.

Jo Soppa,
Chefredakteur 

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