Vorne ein Hauch Honda Varadero, hinten eine Portion BMW R 1200 GS. Dazwischen der aus dem bewährten Yamaha TDM-Triebling heraus entwickelte 1200er Reihen-Twin. Die neue Super Ténéré wurde lange herbei geredet. Jetzt ist sie da
Mitten im Niger ist die Ténéré. Eine Sandwüste, riesig und weit. Durch sie führte früher eine Etappe der Rallye Dakar. Für Schreiberlinge ist das Wort Ténéré eine Herausforderung, weil drei Accent Aigu in einem Wort vorkommen. Und für Yamaha-Fans steht Ténéré für ein berühmtes Motorrad, ein Dakar-Siegermotorrad. Der klangvolle Name wird jetzt wieder für eine große Touren-Enduro aufgegriffen. Das Resultat ist eine Mischung aus Tradition und Moderne. Traditionell ist der Motor. Eine Weiterentwicklung des TDM-Twins, dessen Besonderheit der ungewöhnliche 270-Grad-Hubzapfenversatz ist. Dieser Trick soll das Laufverhalten und den Sound verbessern. Tatsächlich entspricht die Zündfolge exakt den Ducati-Twins – und ganz ähnlich tönt die Super Ténéré auch.
Die Super Ténéré: Traktionskontrolle, sattes Kontrollgefühl, sattes Gewicht |
Ganz neu für eine Yamaha-Enduro sind Kardan-welle, ABS und Schlupfregelung – letztere dürfte zum neuen Ausstattungstrend bei großen, leistungsstarken Motorrädern werden. Der Rest dagegen macht einen vertrauten Eindruck. Typische Versatzstücke sämtlicher Großenduros der letzten 20 Jahre lassen keinen Spielraum für gestalterische Extravaganzen. Und das ist gewollt, denn was bekannt ist, das schafft Vertrauen. Und so sitzt man frei von Überraschungen komfortabel auf einem üppigen Sitzpolster und greift an einen breiten Lenker. So fühlt sich ein sattes Kontrollgefühl an. Vollgetankt, ohne Koffer, wiegt die Ténéré über 260 Kilogramm. Für Leute, die fußelnd über aufgeschlammte Wege abenteuerreisen möchten, sicherlich eine echte Ansage. Man kann davon ausgehen, dass allein der ähnlich wie ein Superbike-Gestell konzipierte Stahlprofil-Brückenrahmen einen großen Batzen Masse mit sich bringt. Er soll offensichtlich auch härterem Offroad-Einsatz widerstehen. Die Hinterradschwinge ist aus Leichtmetall-Gussprofilen und kommt ohne Momentabstützung aus.
Gute fünf Zentner Motorrad plus Besatzung treffen also auf einen Motor mit exakt 1199 Kubikzentimetern Hubraum. Er leistet laut Datenblatt 110 PS bei 7250 Umdrehungen und erreicht bei 6000 Umdrehungen sein maximales Drehmoment von 114 Newtonmeter. Das zulässige Gesamtgewicht liegt bei 470 Kilogramm. Runde 200 Kilogramm dürfen demnach aufgesattelt werden. Die Ténéré steht vorn auf einem 19-Zoll- und hinten auf einem 17-Zoll-Speichenrad, sie sind für schlauchlose Bereifung ausgelegt. Erreicht wird das mittels Felgenstegen, in die wiederum die Speichen eingehängt werden. Die Nippel sind auf der Nabenseite. Eine pfiffige Lösung, die allerdings das Felgen putzen vorne nicht einfacher macht. Konzeptgerecht sind Beifahrerplatz und Gepäckträger großzügig dimensioniert. Für den Sozius gibt es üppige Haltebügel, die sich auch gut zum Festzurren der Yamaha bei Fährfahrten oder für sonstige Bergeaktionen eignen. Das Cockpit aus LCD-Display und analogem Drehzahlmesser ist im Offoad-Design gehalten. Bei kritischen Straßenverhältnissen lässt sich der Motor per Knopfdruck vom Sport- in den Touring-Modus umschalten. Die Leistungsentfaltung ist dann weicher.
FAHRGefühl
Der Motor ist den Yamaha-Technikern passend zum Touringkonzept perfekt gelungen. Er ist druckig, geschmeidig und darüber hinaus auch noch genügsam. Bei den ersten Tests fiel es nicht schwer, den Verbrauch unter sechs Liter pro 100 Kilometer zu halten. Toll ist der Rundlauf im untersten Drehzahlbereich. Bereits ab 1500/min darf der Twin zur Sache gebeten werden. Bei 5000/min legt er bei Überholsprints nochmals kräftig zu. Störende Vibrationen gibt es keine zu vermelden. Nur weiche Druckpulsationen unter Last, die den souveränen Motorcharakter dezent betonen.
Praktisches Detail: Die Rastengummis senken sich bei Druck (im Stehen fahren) ab, die Metallzähne greifen. |
Auf eine Momentabstützung nach Art von Moto Guzzi oder BMW verzichten die Yamaha-Macher bei der Super Ténéré-Kardanschwinge. Das ist kein ernsthafter Nachteil. Bei Touringeinsatz arbeitet die Hinterradaufhängung absolut unauffällig. Erst wenn derbe Lastwechsel provoziert werden, merkt man, dass man auf einem Kardan-Motorrad sitzt. Das Sechsganggetriebe lässt sich mit geringem Kraftaufwand exakt und mit akzeptablen Schaltschlägen betätigen. Insgesamt also eine überaus kultiviert arbeitende Antriebseinheit.
Komfort und Kontrolle, so könnte man das Fahrwerk der neuen Super Ténéré mit zwei Worten charakterisieren. Die Kunst lag einmal mehr darin, die konventionellen Mittel bestmöglich einzusetzen, und das ist den Machern zweifelsfrei gelungen. Das Motorrad glänzt trotz der unbestreitbaren Masse mit neutralem, sehr gut ausbalanciertem Handling. Von Kopflastigkeit oder kippeligem Einlenkverhalten keine Spur. Zwar gibt es die für Enduros typische Weichheit beim Setzen der Lenkinputs, aber genau dieser Flex ist es letztlich, der das Chassis gerade auf schlechten Wegstrecken schön arbeiten lässt und zum ruhigen, flüssigen, und überaus effizienten Vorwärtskommen beiträgt.
Serienmäßig ist die Bremse mit ABS ausgerüstet. Es lässt sich für Offroad-Fahrten nicht abschalten. In diesem Punkt wollten die Yamaha-Macher keine Spielräume offen lassen. Stattdessen bietet man ein Teil-Kombi-Bremssystem an. Beide Räder werden nur beim Zug am Handhebel verzögert. Tritt man das Pedal, bremst nur das Hinterrad. Das funktioniert in der Praxis völlig zufriedenstellend. Monieren könnte man allenfalls den weichen Druckpunkt der Vorderradbremse. Die in zwei Ansprechschwellen für Schotter oder Asphalt einstellbare Traktionskontrolle vergleicht Rad- und Motordrehzahlen. Bei Unregelmäßigkeiten wird Druck aus dem Twin genommen. Sicherlich eine gute Hilfe beim Pässekraxeln unter widrigen Bedingungen. Für bewusstes Fahren auf losem Untergrund lässt sich das System ganz abschalten.
Fazit:
Der erste Eindruck entscheidet, und der ist sehr gut. Vor allem der ebenso druckvoll wie harmonisch-kultiviert arbeitende Twin überzeugt, das Fahrwerk ergänzt das Paket treffsicher. Dazu kommt die Langstreckentaugliche Sitzergonomie und die praxisgerechte Reichweite. Kritik? Nichts Substanzielles. BMW GS-Fahrer dürfen gerne mal probefahren.
Bereit für große und kleine Abenteuer. Kritik? Nichts Substanzielles.
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