Jo Soppa |
Leicht und Lecker.
Wer blanke Furcht beim Motorradfahren erleben möchte, greife zur 125er-Luftpumpe
Es ist wie beim Essen: Jeden Tag Eisbein mit Kraut oder ein pfundiges Steak machen Lust auf ein krustiges Butterbrot oder einen knackigen Apfel.
Regelrecht überfressen an Potenzkrädern hat sich wohl auch die nach wie vor den Motorradmarkt dominierende Baby Boomer-Generation. Seit der Traum-Honda CB 750 ging
es Jahr um Jahr auf der Leistungsleiter eine Stufe höher. Heute sind Traum-Superbikes wie die BMW S 1000 RR mit über 200 PS Leistung Normalität. Und normalisierte Träume sind nun mal keine Träume mehr.
Besagte Baby-Boomer haben ihre Motorrad-Laufbahn zumeist mit einem Moped, einer 125er oder einer 250er begonnen. Mit letzt-genannter war man in den wilden, goldenen Motorradtagen bereits gut bei der Musik. Von daher ist vielen eine wichtige Erkenntnis im Hinterkopf geblieben: So ein leichter Feger kann ganz schön Spaß machen.
Ein anderer Knackpunkt ist der Preis. Für gelegentliches Herumpötteln auf kleinen Nebenstrecken muss kein Schlachtschiff angeheuert werden. Es reicht eine wendige Fregatte, die passt zudem auch noch geschickter in die ohnehin bereits überfüllte Garage als ein prestigeträchtiger Fulldresser.
Bei allen nostalgisch verklärten Erinnerungen an gute, beschwingte Kleinmotorrad-Tage sollte jedoch eines nicht vergessen werden: Die Situation im Straßenverkehr hat sich in den letzten zwanzig Jahren schwer gewandelt. Hektik, Stress und üppig motorisiertes Gerät sind allgegenwärtig. Die heute noch fahrbaren Durchschnittsgeschwindigkeiten sind in den zähen Verkehrsströmen zwar rapide eingedampft worden, kompensiert wird das dafür mit umso zornigeren Zwischensprints. Deshalb: Wer beim Motorradfahren das große Schaudern und mitunter sogar die blanke Angst erleben möchte, der soll sich nur einmal mit einer weniger als zehn PS starken 125er ins Getümmel stürzen. Es ist kein Spaß, wenn auf der Landstraße die Zwillingsbereifung eines Zwanzigtonners in Griffweite mit bedrohlicher Gleichmütigkeit bei 90 km/h singend an einem vorüberradiert. Ein wenig Druck im motorischen Unterhaus muss also sein. Oder man weicht auf kleinste Nebensträßchen aus, sofern man kann. Dort blüht noch das Motorrad-erlebnis jenseits aller PS-Leistungsschau in fast schon poetischer Ursprünglichkeit.
Wie der ideale Untersatz nicht nur für den straßenbautechnischen und landschaftlichen Idealzustand aussehen könnte, das zeigen wir in unserem Spezialteil „Leichte Motorräder” in dieser Juli-Ausgabe auf. Die stilistische Bandbreite deckt dabei so ziemlich alle Vorstellungen ab, die man sich nur denken kann. Vom Vintage-Style Rennerles-Flitzer über das kletterfreudige Trial-Wanderkrad bis hin zum schrulligen Design-Objekt auf zwei Rädern. Legen Sie eng anliegende Kleidung bereit, ab jetzt zählt wieder Ihr ganz persönlicher Luftwiderstands-Beiwert.
Viel Vergnügen mit leichten Motorrädern in einem prall gefüllten MO-Heft wünscht
Jo Soppa (Chefredakteur)