2013-11 Leitartikel

Jo Soppa - Chefredakteur MO

Jo Soppa

Kompromisse

So kurz nach der Bundestagswahl im bis dato mehrheitslos dahin dümpelnden Land stellt sich der bundesregierte Bürger bisweilen besorgt seine Fragen. Etwa, warum auch ohne Frau Merkels göttliche Eingebungen auf Regen wieder Sonne folgt oder warum sich trotz propagiertem Weltuntergangs-Szenario die globale Erwärmung seit gut 15 Jahren ­partout nicht mehr an die Voraus­sagen der Wissenschaft halten will und einfach nicht mehr weitergeht. Als Motorradfahrer haben wir zwar nach den letzten schlotternd durchgefrorenen, elend langen Wintern irgendwie geahnt, dass an der ganzen Globalprognose etwas faul sein muss, aber kürzlich hat Klima­experte Hans von Storch (!) tatsächlich öffentlich eingeräumt, in den ganzen Rechenmodellen müsse ein gewaltiger Fehler stecken, oder man habe die Rechner mit ungeeigneten Daten gefüttert. Kurzum: Alles Zufall, nix Genaues weiß man nicht.
Mit Expertenwerk der „Eliten” haben wir in den letzten Jahren ohnehin so unsere ganz speziellen Erfahrungen gemacht. Die so genannte Wiedervereinigung – ganz schön vergeigt. Der Euro – du liebe Güte. Neuer Flughafen Berlin – au Backe. Und hier in Stuttgart bekommen sie noch nicht einmal einen Bahnhof auf sinnvolle Art und Weise modernisiert.
Es ist wie beim Fußball. Die Kenner auf der Tribüne wissen es immer besser. Jedenfalls so lange, bis sie selbst ran müssen. Dann stellt man schnell fest, dass sämtliche Unternehmungen, zu denen mehr als zwei Personen gebraucht werden, auf Kompromissen aufbauen. Wenige Beteiligte gleich wenige Kompromisse, viele Beteiligte gleich viele Kompromisse. Akzeptable Kompromisse kommen vor, und natürlich auch jede Menge faule Kompromisse.
Womit ich thematisch bei der neuen Klassik-BMW angelangt wäre. Auch dieses Motorrad wird einmal mehr für reichlich Diskussionsstoff sorgen. Viele BMW-Fans werden nicht verstehen, warum man im Werk nicht gleich den neuen Wasserboxer eingebaut hat, manche werden es als technischen Rückschritt empfinden, dass bei diesem Modell von der be­währten Telelever-Vorderradführung auf ein konventionelles Teleskop-System abgerückt wurde. Anderen wird der neue Klassik-Boxer zu wenig puristisch-klassisch sein, der Nächste wird die neue BMW R nineT als typische Lifestyle-Krücke für Yuppies geißeln. So ist das immer. Ich frage mich auch seit ewigen Zeiten, warum es in Deutschland nicht zumindest eine von vorne bis hinten richtig geil gemachte Motorrad-Zeitschrift gibt, zumal wir ja selbst ein paar davon in Umlauf bringen. Vielleicht weil wir selbst unsere heftigsten Kritiker sind und weil herummosern immer einfacher als selber machen ist. Vor allem dann, wenn man nicht alle Zeit und alles Geld dieser Welt hat und die Sonne am Tag der Druckabgabe wieder ‘mal ganz ohne Frau Merkels Hilfe aufgeht.
Jedenfalls finde ich die neue BMW R nineT wunderbar. Endlich eine Meldung für 2014, über die das Prädikat „Gut gemacht” passt. Lesen Sie mehr über das neue Urgewächs aus Bayern ab Seite 8.

Und denken Sie daran: Mängel sind die Schlaglöcher auf dem Weg zur Perfektion. Viel Vergnügen mit Ihrer November-MO wünscht

Jo Soppa (Chefredakteur)
 

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