Jo Soppa |
Der Preis macht’s
Wer leidenschaftlich gerne beim Discounter abhängt, kennt das Spiel: Wer nur des Preisetiketts wegen kauft, hockt hinterher auf jeder Menge Zeug, das er eigentlich gar nicht gebraucht hätte. Ergo sind billige Artikel oft viel zu teuer. Weil man sein Geld ausgegeben hat, ohne dafür ein wirklich zufriedenstellendes Produkt zu erhalten. Deshalb ist es auch stets müßig, über Begriffe wie „preiswert“ oder gar des Deutschen liebste Umschreibung, nämlich das viel zitierte „Preis-Leistungsverhältnis“, zu debattieren.
Als Bewertungsmaßstab dient mir in solchen Fällen stets eine simple Frage: Könnte ich das für ähnliches Geld oder günstiger selbst herstellen? Nimmt man, nur mal als Beispiel, ein richtig gut gekochtes Mittagessen, dann wäre ich nicht in der Lage, solche Gaumenfreuden für 20 Euro anzubieten. Bedenkt man den ganzen Aufwand, die nötigen Gerätschaften und nicht zuletzt hoch-
wertige Lebensmittel als Ausgangsprodukt, dann stünde für ein Mahl nach Art Soppa ein ganz anderes Preisschild auf der Karte.
Bei technischem Gerät ist die Kiste noch krasser. Mir ist es nicht verständlich, wie in China eine Stich-säge zu produzieren ist, die schließlich bei uns im Baumarkt für 19,90 Euro im Regal landet. Selbst wenn der chinesische Arbeiter für einen Hungerlohn am Band steht, kann dahinter kein sinnvolles Geschäftsmodell stehen.
Yamaha produziert zwar keine Stichsägen, dafür seit etlichen Jahrzehnten neben Musikinstrumenten und Audiotechnik auch Motorräder. Vor 50 Jahren präsentierte sich die Marke mit den gekreuzten Stimmgabeln zum ersten Mal auf einer deutschen Motorradmesse. Fortan verkörperten Yamaha-Motorräder genau das, was seit jeher ein japanisches Produkt auszeichnet: ansprechende Qualität und ausgetüftelte Funktionalität ohne preisliche Spaßbremse. Oder wie es der legendäre Sony-Boss Morita so schön auf den Punkt brachte: Wer die Wünsche des Kunden am besten erfüllt, der macht das Geschäft.
Ein guter Preis ist ein Kundenwunsch, ein Produkt, das Begehrlichkeiten weckt, ein anderer. Beides versucht Yamaha in diesem Frühjahr unter einen Hut zu bringen. Mit der dreizylindrigen MT-09 ist das zum Einstieg bereits mehr als überzeugend gelungen. Jetzt legen die Yamaha-Leute mit der MT-07 eine Stufe darunter nochmals nach. Ab 5500 Euro ist dieses komplett neue Mittelklasse-Motorrad ab sofort zu haben. In den Eckdaten vergleichbare Modelle der arrivierten Mitbewerber sind mindestens 1000 Euro teurer. Allenfalls die neue Honda NC 750 S taucht da für alle Preisschildvergleicher noch auf. Aber die hat 20 PS weniger und wiegt gute 20 Kilogramm mehr.
Wie auch immer. Über die Aufwertung der preislich höchst interessanten Bier- und Brauseklasse mit gut gemachten Motorrädern freue ich mich. Zu D-Mark-Zeiten war der letzte Knaller in dieser Kategorie die Suzuki SV 650. Die kostete damals runde 12000 Mark. Heute liegt man entsprechend zwischen 6000 und 7000 Euro, woran man die moderate Preisentwicklung im Motorradbau innerhalb der letzten 15 Jahre gut ablesen kann. Und selber machen könnte man ein Motorrad dieses Kalibers für das Geld ohnehin nicht. So gesehen sind Motorräder letztlich richtig günstige Konsumgüter. Und wenn sie richtig glücklich machen, sind sie ohnehin unbezahlbar.
Den ersten Fahrtest der neuen Yamaha MT-07 finden Sie ab Seite 40.
Informatives Vergnügen mit der MO-Märzausgabe wünscht
Jo Soppa,
Chefredakteur