Motorradspaß im Winter

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MOTORIGAMI – Pitbiken in der Halle im Selbstversuch

Die Kunst, sich auf ein Motorrad zu falten. Beim Mini- und Pitbiken rückt erwachsenes Volk auf Motorrädern im Kinderformat aus. Wieso tut man das?

Der Jahreswechsel ist gerade wenige Wochen her, und in bester Tradition wird man wieder viele gute Vorsätze gefasst haben. Zweimal in der Woche ins Gym, um in Form zu kommen, ist leicht in Gedanken ausgemalt, wenn man auf der Couch pfläzt, mit den Fingern tief in der Chipstüte. Und am Ende wird‘s wieder nix, der Betrug an sich selbst ist abgemachte Sache.

 

 

Dann wenigstens einige andere Ziele in Angriff nehmen: Jahreskarte Nordschleife, auf dem GP-Kurs in Hockenheim unter 1:55 Minuten fahren, endlich Ellbogen schleifen oder einfach nur mehr Motorrad fahren… Davon träumt es sich schön, beim Blick aus dem Fenster auf die grau monotone Widerlichkeit von deutschem Winterwetter, wenn man am liebsten den Trauerflor an den hiesigen Motorradstrecken niederlegen möchte. Das Winter-Trainingscamp mit Motorradtransport aus dem Siff in die laue, spanische Wintersonne zum saftigen vierstelligen Preis ist dann doch eine andere Galaxie. Und in dieser leben nicht so viele. Wenn Sie sich da nicht gefunden haben, Leute, dann stehen uns noch harte Wochen ins Haus.

Da hilft es auch nicht, eine neue Religion aufzumachen, die einzig und allein den Wettergott anbetet, der uns immerzu bestes Motorradwetter bescheren soll. Könnte man aber vielleicht ein großes Dach spannen unter dem wir…? Statisch trickreich, Motorradfahren bedingt Platz, selbst wenn man im Rundkurs denkt. Außer, man skaliert es mal herunter. Ein paar findige Burschen scheinen da die Lösung für sich gefunden zu haben, wie sie einfach immer im Kringel kreisen können, bis es ihnen schwindlig ist – ganz unabhängig vom Wetter, dazu zum Spottpreis und ständig. Nix wie hin, aber beim Betreten der Allgäuer All-Kart-Halle in Kaufbeuren kommen erste Zweifel, warum ich im Leder stecke und den Helm im Anschlag habe. Bis ich über das erste Minibike stolpere, das da auf Kniehöhe herum steht. Wer nicht aufpasst, übersieht die Dinger einfach. „Damit fahrt ihr?“ Ich meine, mit 170 Zentimetern Länge könnte ich wunderbar beim Kinderturnen mitmachen, aber selbst ich rätsele, wie ich da drauf passen soll.

 

Aber nur so lässt es sich auf ein paar tausend Quadratmetern Motorrad fahren, und wenn‘s die alten Herren können, die sich als jahrelange Dauergäste herausstellen, bekomme ich das auch hin. Hier in Kaufbeuren sieht man noch den Unterschied zwischen der alten Garde auf ihren selbst gebauten Minibikes und der jüngeren Generation auf gekauften Pitbikes, die voll im Trend stehen. Selbst Vollprofi-Rennfahrer klemmen sich auf die kleinen Supermotos zum Trainieren oder bieten als Ex-Rennfahrer gleich ganze Kurse an.

 

 

Der Jux, wie das im Original entstanden ist, hat aber einen weitaus größeren Erzählwert, als der heutige Trainingsaspekt, um sich fahrerisch zu verbessern. Denn ohne die Begriffe Rennstrecke, Dusche und Klo lässt sich nicht erklären, warum man heute zum Spaß auf Minibikes in Karthallen herum braust. Ach ja, Bier darf natürlich nicht fehlen, denn einigen Freunden, die sich Mitte der Neunziger häufig an Rennstrecken herumtrieben, fiel am Stammtisch auf, dass die Wege vom Fahrerlager zu den sanitären Anlagen doch recht weit sind und man diese doch besser auf einem Fahrzeug zurücklegen könne. Es entstand ein zusammengeklöppelter Stehroller mit Mopedmotor, und schnell verlagerte sich der Wettkampfgedanke Rennstrecke ins Fahrerlager. Weil es natürlich nicht anders kommen konnte und sich andere ebenfalls „etwas zusammenschlosserten“ und behaupteten, auf dem Weg zum Lokus schneller zu sein. Was sich unter den Burschen bis hin zu abendlichen Rennen im Paddock, auf Feldwegen und sonst wo hochschaukelte. Diverse Dax, Mofas und Kindermotorräder wurden umgemodelt oder auch gleich ganz eigenes Zeug gebaut. In einer Heutrocknungsanlage wurde schlussendlich ausgefahren, wer denn wirklich das schnellste Minibike am Start hatte. Aber nicht, ohne vorher über Stunden den Boden zu fegen, um wenigstens den Anschein von Haftung zu erzeugen, was auf Dauer wenig praktikabel war. So war es ein großes Glück, als die Karthalle in Kaufbeuren aufgemacht und es den Jungs genehmigt wurde, sich außerhalb vom Kartbetrieb mit den kleinen Motorrädern auszutoben.

 

 

Deshalb finden sich in Kaufbeuren noch viele Minibikes nach altem Muster. Eigenbauten statt einfach gekauften Pitbikes aus irgendwelchen Onlineshops. Und die Fahrer haben es entsprechend richtig drauf, hocken nach alter Schule bockgerade obendrauf und fahren die schlimmsten Schräglagen, die man sich auf glattem Betonboden vorstellen kann. Michi Stromer ist der Herr über die Mini- und Pitbike-Trainings in Kaufbeuren und fährt selbst extrem schräg und extrem schnell auf seiner stark umgebauten Honda Monkey-R mit Alubrückenrahmen. Auf seinem Eigenbau darf ich mich endlich wieder so fühlen, als wäre ich noch nie auf einem Motorrad gesessen. So ein Pitbike ist hervorragend geeignet, um sich die totale Blöße zu geben, weil es einfach nie still hält. Sobald man mit einer Arschbacke zuckt, schlägt das Ding mit seinen winzigen Zehnzollrädern wie ein Hase Haken, dass du gar nichts mehr weißt. Ständig fühlt es sich an, als würdest du schneller aufs Gesicht fallen, als du Mama sagen kannst. Bis dann etwas wunderbares passiert, das Minibike einen Instinkt weckt, der dir bisher ziemlich fremd war, weil die Effekte von Gewichtsverlagerung durch Körperhaltung auf normal großen Motorrädern viel geringer sind, so einen Winzling aber erst fahrbar machen. Das Fahren mit solch kleinen Krädern konditioniert dich, häufig auftretendem Vorderradeinklappern gegenzusteuern. Das geht ratz-fatz – bis du den Rutscher realisiert hast, hat dein Körper längst reagiert. Endorphine pur. Ein paar Runden, bis man den Bogen raus hat, und schon setzt das Knie auf. Das Ganze macht sofort süchtig. Wer einmal kommt, will sofort wieder. Die Fahrerei ist ein Heidenspaß, die Lerneffekte sind da nur ein Bonbon obendrauf, ganz zu schweigen von den überschaubaren Folgen, wenn man doch mal den Boden küsst. Eine Zerrung holst du dir im Fitness schneller. Der Muskelkater, der dir bleibt, den hast du aber im ganzen Körper.

 

 

Endlich realistischer Sport – alle anderen Vorsätze kannst du guten Gewissens in die Tonne treten. Besser den Jahresbeitrag ins Minibike statt in den Personal Coach investieren, 35 Euro pro Tag löhnen und mit mehr Spaß mehr Sport im Winter treiben, als jeder noch so gut gemeinter Vorsatz in der Realität bringt. So lässt sich auch der Partner leicht überzeugen, allein schon wegen der sofortig verbesserten Laune. Garantiert.

 


Bildergalerie:


Text: Nico Röder

Fotos und Grafiken: Christina Leitner, Röder