AUFGELADEN: Verbrennerzukunft dank Aufladung
Die Zukunft des Verbrennungsmotors ist in der heißen Diskussion. E-Fuels oder Wasserstoff eröffnen Perspektiven. Aber auch in der Aufladung mittels Kompressor könnte eine Chance liegen. Damit ließe sich das Drehzahlniveau speziell von Motorradmotoren deutlich absenken, ohne auf dynamische Glücksmomente verzichten zu müssen. An der TU-Dresden arbeitet man an einem Modellprojekt
Wenn man heutzutage von einem Turbo-Auto in ein Modell mit Saugmotor umsteigt, kommt einem das schon ein wenig lahm vor. Um beim Motorrad ein vergleichbares „Die-Luft-ist-raus-Erlebnis“ zu haben, muss man gleich mehrere Hubraumklassen nach unten klettern. Weshalb hat sich also die Aufladung beim Motorrad nie durchgesetzt? Einerseits sind Motorräder selbst mit 50 PS bei 200 Kilogramm (4 kg/PS) noch gut motorisiert, andererseits gab es ja immer die Möglichkeit der klassischen Leistungssteigerung über Anhebung von Drehzahl (Literleistung) und Hubraum. Geht man zurück in die 70er und 80er Jahre, waren bei Motorrädern rund 90 PS aus 1000 luftgekühlten Kubikzentimetern mit zwei Ventilen pro Zylinder ein absoluter Hammer. Ein derart stattlich geschnürtes Motorpaket, losgelassen auf rund 250 Kilogramm Fahrzeuggewicht, schob bereits tüchtig vorwärts. Klar, bei einem Leistungsgewicht von drei Kilogramm pro PS. Heute sind wir in Gestalt der BMW S 1000 RR bei einem Leistungsgewicht von unter einem Kilogramm pro PS angekommen. Oder nehmen wir die 1290er KTM Super Duke. Die hat zwar „nur“ 1,25 Kilogramm pro PS, dafür aber jenseits der 130 Nm Drehmoment über ein weites Drehzahlband. Das macht richtig lange Arme.
Motorrad-Turbomotoren gab es bereits vor gut 40 Jahren. Das hier ist ein völlig neuer Ansatz
Wenn man die Stückzahlen zwischen Motorrädern und Autos vergleicht, wird auch klar, warum ein High-Tech-Krad 25000 Euro kostet, hingegen ein gut ausgestatteter Wagen mit 1,4 Liter großem Turbo-Motor kaum mehr. Kosten und Stückzahlen spielen eine Rolle. Saugen aus großem Hubraum ist deutlich billiger zu machen als das Motor-Aufladen. Welches Argument könnte pro Aufladung also noch ziehen? Der Spritverbrauch. Interessiert die meisten Motorradfahrer derzeit zwar – noch – nicht allzu brennend, könnte aber als nächste Regulierungsvorschrift in Sachen CO2-Absenkung kommen. Auch Motorradfahrer wollen ihren Beitrag zu Rohstoffschonung und Umweltschutz leisten.
Also machen wir den Motor im Hubraum kleiner. Damit er bei Volllast auch noch mehr als nur die Wurst vom Teller zieht, bekommt er einen Lader verpasst. Die Enduntersetzung können wir mit dem dann zur Verfügung stehenden Monster-Drehmoment auch noch länger machen. Damit sinkt das Drehzahlniveau. Ersteres nennt sich Downsizing, letzteres Downspeeding und funktioniert beim Auto seit langem prima. Auch kräftiger Durchzug im letzten Gang müsste mit geeigneter Aufladung gut funktionieren.
Und es muss nicht immer Turboaufladung sein. In der Vergangenheit gab es bei Motorrädern bereits eine Turbo-Ära, die allerdings unter zwei Schwächen litt: Die Strömungsmechanik der Turbinen war so miserabel, dass die damals angedachten Hubräume von erst 500, dann 650 ccm nicht ausreichten, um genügend Abgas zur Verfügung zu stellen. Durchzug, so wie man das heute von Turbo-Pkws kennt, gab es damit nicht. Heute gäbe es zwar sehr kleine, durchaus motorradgeeignete Lader, aber das Ansprechverhalten wäre mit denen immer noch weit von der gewohnten Dynamik eines Saugmotors entfernt.
Greifen wir also auf das zurück, was BMW schon Ende der 30er Jahre für Schorsch Meiers TT-Erfolg auflegte: die mechanische Aufladung. Der Flügelzellenlader wird es aber heute auch nicht werden, zu viele Teile, zu viel Verschleiß. Ein Roots- oder Schraubenlader kommt vor allem wegen der Geräuschkulisse nicht in Frage. Bleibt noch der Spirallader, im Volksmund auch G-Lader genannt. Wenig bewegte Teile, leise und heute auch haltbar (im Gegensatz zu den ersten G60-Ladern in den VW-Modellen Golf und Corrado, der G40 hatte eigentlich schon von Anfang an recht anständig funktioniert). Sein größter Vorteil gegenüber einem mechanisch angetriebenen Radiallader (Rotrex, Kawasaki H2) ist die geringe Trägheit der rotierenden Teile. Theoretisch kann man diesen Lader ohne Kunstgriffe und ohne merkliche Zeitverzögerung mittels elektromagnetischer Ankoppelung ruckfrei zu- und abschalten. Gerade auf längeren Konstantfahrstrecken, also in der unteren Teillast, schleppt man dann keinen unnützen Lader mit, und das spart schon wieder Sprit. Übrigens: Eine elektrisch getriebene Aufladung kommt aus Gewichts-, Kosten- und Komplexitätsgründen nicht in Frage.
Wie muss so ein Lader bemessen sein? Wenn ein Motor läuft, dann setzt er eine bestimmte Menge an Luft durch. Das nennt man Motorschluckvermögen. Der Druck, mit dem die Luft am Ansaugstutzen angeliefert wird, ist der Atmosphärendruck, also rund ein bar. Würde man am Ansaugstutzen nun eine Pumpe anflanschen, die mehr liefert als der Motor im saugmotorischen Betrieb schluckt, entstünde ein Rückstau. Es stiege also der Druck am Ansaugstutzen. Dadurch nähme der Motor aber auch mehr Luft auf. Ergo, das Schluckvermögen steigt mit steigendem Ladedruck. Beim Beschleunigen steigt mit der Fahrzeuggeschwindigkeit logischerweise die Motordrehzahl, und der Lader sollte in der Lage sein, dem dann ebenso steigenden Schluckvermögen zu folgen. Sonst hat die Leistungssteigerung, die normalerweise mit der Drehzahlerhöhung einhergeht, plötzlich ein Ende – und das wäre doch langweilig.
Downsizing kommt später. Fürs Erste wurde aus viel Drehmoment einfach noch mehr gemacht
Die Höhe des (maximalen) Ladedrucks stellt sich im Gleichgewicht von Schluckvermögen des Motors sowie Fördervolumenstrom des Laders ein und kann bei gegebener Ladergröße über das Übersetzungsverhältnis zwischen Lader- und Kurbelwelle eingestellt werden. Unterhalb der Volllast, wo weniger Ladedruck erforderlich ist, wird ein Teil der Laderluft über eine Umluftklappe wieder zur Saugseite des Laders geleitet.
Wir haben das bei uns im Labor mit ein paar Petrol-Heads ausprobiert. Allerdings war gerade ein 1200er Motor auf dem Bock. Es ist also nicht wirklich ein Downsizing-Projekt, noch nicht. Um das Prinzip zu demonstrieren, ist das allerdings egal. Wir haben aus dem vorhandenen Drehmoment einfach noch mehr Drehmoment gemacht. Als erste Maßnahme musste das Verdichtungsverhältnis von originalen 12,5 auf erträgliche 9,5 abgesenkt werden. Es mag zwar technisch nicht elegant und optimal sein, aber das macht man billig und ohne Umstände durch eine Anhebung der Zylinder, in unserem Fall um zwei Millimeter. Damit ist die Quetschströmung, wenn der Kolben in den OT fährt, zwar miserabel, aber für die Demonstration des Prinzips ist das ausreichend. Um die Motorgesundheit im Blick zu behalten, haben wir anstelle der seitlichen Zündkerze einen Zylinderdruckaufnehmer eingeschraubt. Das verschlechtert die Verbrennung zwar nochmal, aber für die Demo reicht‘s. Alle drei Faktoren, Verdichtungabsenkung, mangelnde Quetschströmung und fehlende Doppelzündung kosten zwar erst einmal Wirkungsgrad, verursachen also mehr Spritverbrauch, aber das ließ sich bereits durch eine sanfte Verlängerung des Endantriebs um 25 Prozent kompensieren.
Bildergalerie:
Text: Frank Atzler, Tilo Ross
Fotos und Grafiken: Uni-Dresden