2013-09 Leitartikel

Jo Soppa - Chefredakteur MO

Jo Soppa

Vorpreschen
Bradl in Fahrt. Vielleicht
kommt bald der erste deutsche MotoGP-Sieg

Passend zu unserem Titelthema „Soulful Racing” preschte Stefan Bradl aus Augsburg beim Amerika-Grand Prix mit seiner Honda prompt aufs Podium. Vor ihm Marc Marquez aus Mallorca, hinter ihm der Italiener Valentino Rossi. Seit Walter Zellers Tagen, als der Bayer auf seiner Königswellen-BMW den Vizetitel einfuhr (1956), ist dieses Resultat das beste eines deutschen Teilnehmers in der „Königsklasse” des Motorrad-Rennsports.
Kenner der Materie werden jetzt zwar an den Sieg von Edmund Czihak beim Nürburgring-GP anno 1974 mit einer aufgebohrten Yamaha
TZ 350 erinnern, doch diese Triumphfahrt fand bekanntlich ohne Teilnahme der internationalen Fahrerelite statt, weil diese die alte Nordschleife wegen Gefährlichkeit kurzerhand bestreikt hatten.
Mit Bradls Erfolg ist das Thema Motorrad-Rennsport in den Massenmedien sofort sehr viel präsenter, die entsprechenden Artikel in der Tagespresse fielen gleich eine ganze Spur größer aus als bislang. Sollte Bradl demnächst tatsächlich sein erster MotoGP-Sieg gelingen, dann dürfte sich die Resonanz in der Öffentlichkeit zur Freude der Sponsoren weiter verstärken.
Ob sich daraus irgendwelche positiven Effekte für den momentan darbenden deutschen Motorradhandel ergeben, darf jedoch bezweifelt werden. Denn bekanntlich stehen bei sämtlichen Risikosportarten, worunter Motorsport generell einzuordnen ist, die Leistungen des Akteurs und nicht des Materials im Vordergrund.
Bezeichnenderweise ist es in der populären Formel 1 ein österreichischer Zuckerbrausefabrikant, der neben dem Fahrer Sebastian Vettel die Wahrnehmung dominiert, und nicht der Motorenhersteller oder gar eine Automarke. Im Umkehrschluss ist stets der Technik-Lieferant schuld, wenn der bekannte Star-Fahrer einmal nicht gewinnen sollte. Insgesamt also eine Konstellation, die für Fahrzeughersteller den Einstieg in den Rennsport nicht gerade sonderlich verlockend macht. Beliebt ist deshalb seit einiger Zeit das Team-Modell, bei dem sich die Verantwortlichkeiten auf mehrere Markenschultern verteilen – und im Falle einer Niederlage auch der Gesichtsverlust. Und der Sieg gehört allen.
Mit Soulful Racing hat ein derartig merkantil kalkuliertes Rennunterfangen natürlich nur wenig gemein. Beseeltes Agieren gibt es im großen Sport aber immer dann zu bestaunen, wenn wieder eines dieser Fahrgenies mit überirdischem Einsatz die Gesetzmäßigkeiten der Physik ein weiteres Mal aus den Angeln zu heben scheint. Stefan Bradl konnte sich das in Laguna Seca aus nächster Nähe ansehen, als „Wunderkind” Marquez einmal mehr auf dem Drahtseil balancierte, wo gar kein Seil mehr war.
Die Gesetze der Physik respektieren und dabei das Risiko bestmöglich kalkulieren, ist dagegen Grundvoraussetzung für eine er-folgreiche Teilnahme am legendären Straßenrennen auf der Isle of Man. Denn wie im richtigen Leben gilt auf der Insel in der Irischen See: Der nächste Fehler kann dein letzter sein. Und weil kein Mensch frei von Fehlern ist, ist die Tourist Trophy ein großer Zirkus, bei dem Schrecken, Tragödie und Triumph seit Jahrzehnten gleichermaßen schockieren und faszinieren. In so einem Umfeld trifft man noch auf die wahren Helden des Rennsports. Sicherheitsvernarrte Deutsche stellen sich das Motorrad-Heldentum gemeinhin anders vor, dennoch treibt es Jahr um Jahr auch Teilnehmer aus unseren Landen über den Kanal, hin zur magischen Insel des wahren, des beseelten Straßen-Rennsports. Unser Report ab Seite 20 gibt Aufschluss – zum Staunen und Kopfschütteln.
Adrenalin auf gut überschaubarem Risikolevel konnten innerhalb weniger Sekunden auch lupenreine Amateure beim spektakulären Boxer-Sprint in Garmisch in ihre Blutbahnen jagen. Körper, Geist, Harmonie und eine richtige Dosis aus Gas und Kupplung entschieden über die Ausschüttung der Glückshormone. Auch darin geht es in unserem Spezialteil für das September-MO, zu dessen beseeltem Konsum ich Sie nun herzlich einladen möchte.

Beste Unterhaltung
mit Deutschlands außergewöhnlicher Motorrad-Zeitschrift wünscht

Jo Soppa (Chefredakteur)
 

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